Das Zigeunergrab auf dem Friedhof von Sensweiler


ein Bericht von Albert Molz

aus dem Heimatkalender 1971


Der Pfarrer und Schriftsteller Hansjakob aus Freiburg in Baden, Erzähler vieler Dorfgeschichten aus dem Schwarzwald, schreibt: "Jedes Menschenleben, auch das armseligste, ist wert, daß von ihm eine Beschreibung gemacht werde". Das möge auch für die fern der heimat, gewissermaßen am Wegrand verstorbene Frau gelten, die unter der Bezeichnung "Zigeunerin von Sensweiler" auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Auf dem alten Teil des heute erweiterten Friedhofs steht ein schon etwas verwitterter Grabstein in der Form eines Baumstumpfes - eines abgebrochenen Eichbaums mit Eichenlaubranken und rillenförmiger Rinde. Das Schriftfeld ist vertieft aus dem grauen Sandstein herausgearbeitet. Die Inschrift, durch das Wetter und den weichen Sandstein etwas verwittert, ist noch gut lesbar (...) Sie lautet :


"Hier ruht in Gott Emilie Pürschner geb. Freiwald,

gestorben am 15. April 1889. Ruhe sanft! Auf Wiedersehen!"

Das Grab besteht im Jahre 1970 schon 81 Jahre, wird von der Gemeinde betreut und soll auch nach Einebnung anderer Gräber auf diesem Feld erhalten bleiben. Der Grabstein, von den heute üblichen Formen abweichend, zieht immer wieder Besucher des Friedhofes, besonders fremde an, und auf ihre Fragen nach dem "Woher" wird ihnen meist geantwortet, daß hier eine Zigeunerin begraben sei. Diese Auffassung wird bestärkt durch die Darstellung, die Wanda Icus-Rothe in ihrem Buch "Sonne der Heimat" bringt. Sie hat als Tochter des damaligen Pfarrers Schonebohm an dem Begräbnis teilgenommen, war etwas über 13 Jahre alt und schrieb ihr Buch 32 Jahre später, fern ihrer Heimat in Berlin. Es ist verständlich, daß sie nur berichten konnte, was aus einer schon teilweise verblaßten Erinnerung noch lebendig war. Kindheitserinnerungen reichen zuverlässig selten vor das zehnte Lebensjahr zurück. Darum nennt sie nicht den Namen der "Zigeunerin" und erzählt nichts von dem Woher und Wohin der Gruppe des fahrenden Volkes, das damals hier von einem Mißgeschick betroffen wurde.

Der Pfarrer und Schriftsteller Hansjakob aus Freiburg in Baden, Erzähler vieler Dorfgeschichten aus dem Schwarzwald, schreibt: "Jedes Menschenleben, auch das armseligste, ist wert, daß von ihm eine Beschreibung gemacht werde". Das möge auch für die fern der heimat, gewissermaßen am Wegrand verstorbene Frau gelten, die unter der Bezeichnung "Zigeunerin von Sensweiler" auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Auf dem alten Teil des heute erweiterten Friedhofs steht ein schon etwas verwitterter Grabstein in der Form eines Baumstumpfes - eines abgebrochenen Eichbaums mit Eichenlaubranken und rillenförmiger Rinde. Das Schriftfeld ist vertieft aus dem grauen Sandstein herausgearbeitet. Die Inschrift, durch das Wetter und den weichen Sandstein etwas verwittert, ist noch gut lesbar (...) Sie lautet :


"Hier ruht in Gott Emilie Pürschner geb. Freiwald, gestorben am 15. April 1889. Ruhe sanft! Auf Wiedersehen!"


Das Grab besteht im Jahre 1970 schon 81 Jahre, wird von der Gemeinde betreut und soll auch nach Einebnung anderer Gräber auf diesem Feld erhalten bleiben. Der Grabstein, von den heute üblichen Formen abweichend, zieht immer wieder Besucher des Friedhofes, besonders fremde an, und auf ihre Fragen nach dem "Woher" wird ihnen meist geantwortet, daß hier eine Zigeunerin begraben sei. Diese Auffassung wird bestärkt durch die Darstellung, die Wanda Icus-Rothe in ihrem Buch "Sonne der Heimat" bringt. Sie hat als Tochter des damaligen Pfarrers Schonebohm an dem Begräbnis teilgenommen, war etwas über 13 Jahre alt und schrieb ihr Buch 32 Jahre später, fern ihrer Heimat in Berlin. Es ist verständlich, daß sie nur berichten konnte, was aus einer schon teilweise verblaßten Erinnerung noch lebendig war. Kindheitserinnerungen reichen zuverlässig selten vor das zehnte Lebensjahr zurück. Darum nennt sie nicht den Namen der "Zigeunerin" und erzählt nichts von dem Woher und Wohin der Gruppe des fahrenden Volkes, das damals hier von einem Mißgeschick betroffen wurde. Zeugen 

Der Pfarrer und Schriftsteller Hansjakob aus Freiburg in Baden, Erzähler vieler Dorfgeschichten aus dem Schwarzwald, schreibt: "Jedes Menschenleben, auch das armseligste, ist wert, daß von ihm eine Beschreibung gemacht werde". Das möge auch für die fern der heimat, gewissermaßen am Wegrand verstorbene Frau gelten, die unter der Bezeichnung "Zigeunerin von Sensweiler" auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Auf dem alten Teil des heute erweiterten Friedhofs steht ein schon etwas verwitterter Grabstein in der Form eines Baumstumpfes - eines abgebrochenen Eichbaums mit Eichenlaubranken und rillenförmiger Rinde. Das Schriftfeld ist vertieft aus dem grauen Sandstein herausgearbeitet. Die Inschrift, durch das Wetter und den weichen Sandstein etwas verwittert, ist noch gut lesbar (...) Sie lautet : 


"Hier ruht in Gott Emilie Pürschner geb. Freiwald, gestorben am 15. April 1889.

Ruhe sanft! Auf Wiedersehen!" 

Das Grab besteht im Jahre 1970 schon 81 Jahre, wird von der Gemeinde betreut und soll auch nach Einebnung anderer Gräber auf diesem Feld erhalten bleiben. Der Grabstein, von den heute üblichen Formen abweichend, zieht immer wieder Besucher des Friedhofes, besonders fremde an, und auf ihre Fragen nach dem "Woher" wird ihnen meist geantwortet, daß hier eine Zigeunerin begraben sei. Diese Auffassung wird bestärkt durch die Darstellung, die Wanda Icus-Rothe in ihrem Buch "Sonne der Heimat" bringt. Sie hat als Tochter des damaligen Pfarrers Schonebohm an dem Begräbnis teilgenommen, war etwas über 13 Jahre alt und schrieb ihr Buch 32 Jahre später, fern ihrer Heimat in Berlin. Es ist verständlich, daß sie nur berichten konnte, was aus einer schon teilweise verblaßten Erinnerung noch lebendig war. Kindheitserinnerungen reichen zuverlässig selten vor das zehnte Lebensjahr zurück. Darum nennt sie nicht den Namen der "Zigeunerin" und erzählt nichts von dem Woher und Wohin der Gruppe des fahrenden Volkes, das damals hier von einem Mißgeschick betroffen wurde. 

Zeugen des Ereignisses, die zuverlässig berichten könnten, leben heute nicht mehr. Und so trat im Laufe der Jahre an Stelle des Wissens und des Gedächtnisses die Phantasie. Sie umgibt das Geschehen mit dem Rankenwerk der Sage und gestaltet ein Bild, das von der Wirklichkeit erheblich abweicht.


Um für alle Zeiten festzuhalten, was damals wirklich geschah und auch die Forderung des Dorfpfarrers Hansjakob zu erfüllen, entschloß sich der Verfasser dieses Berichtes zu einer Darstellung, die der Wirklichkeit entsprechen sollte. Als Quellen dienten Sterbe- und Geburtsregister 1889 beim Standesamt Kempfeld und die Kirchenbücher des Pfarramtes Sensweiler.


Beim Standesamt ist im Sterberegister 1889 unter Nr. 29eingetragen: Beim Amt erschien am 6. April, durch vorgelegten Reisepaß ausgewiesen, der Handelsmann und Marionettenspieler Karl Wiegand aus Friedrichslohra und zeigte an, daß am 5. April 1889 zu Sensweiler in der Wohnung von Philipp Rübel nachmittags 1 Uhr verstorben sei: die Ehefrau des Handelsmannes Heinrich Pirschner, Alwine, geb. Freiwald, 32 Jahre alt, katholischer Religion, wohnhaft zu Mölln, geboren zu Liebse bei Ratzeburg, Tochter des zu Greifswald verstorbenen Kammerjägers Otto Freiwald und dessen Witwe Luise (Familienname unbekannt), wohnhaft zu Mölln.


Karl Wiegand zeigte gleichzeitig am 6. April unter Nr. 33 des Geburtenregisters an, daß am 5. April vormittags 3 Uhr zu Sensweiler in der Wohnung der Frau Rübel geboren sei: Bertha Alwine Pirschner, Tochter des Handelsmannes Heinrich Pirschner und seiner verstorbenen Ehefrau Alwine Pirschner, geb. Freiwald, beide katholischer Religion.


Das Kirchenbuch Sensweiler bringt im Sterberegister unter Nr. 6 für Namen, Heimat und Sterbetag die gleichen Angaben wie das Standesamt mit dem Zusatz: starb hier auf der Durchreise, ärztliches Attest und polizeilische Erlaubnis zur Beerdigung lagen vor. Beerdigt mit Grabrede am 7. April.


Das Taufregister verzeichnet am 7. April, dem Beerdigungstag der Mutter, die Taufe des Kindes mit den Vornamen Alwine Bertha (evgl. Taufe). Als Taufpaten sind angegeben: Alwine Wiegand, ledig, aus Friedrichslohra und Bertha Bamberger geb. Böhmer, aus Friedrichslohra, Frau des H. Bamberger. 2. Kind, 1. Tochter.


Das Sterberegister des Standesamts berichtet unter Nr. 38: am 13. Mai 1889 gestorben zu Sensweiler in der Wohnung des Achatschleifers Ernst Molz dessen Pflegekind Bertha Alwine Pirschner, einen Monat alt, evgl. Religion, Tochter des Handelsmannes und Marionettenspielers Heinrich Pirschner aus Mölln und dessen verstorbener Ehefrau Alwine geb. Freiwald, zuletzt Sensweiler. Das Kirchenbuch Sensweiler - Sterberegister - enthält die gleichen Angaben, Beerdigungstag 17 mai, Todesursache: Krämpfe, "still beerdigt". Diese nüchternen Zahlen und Angaben zeigen zunächst, daß die Inschrift auf dem Grabstein drei Fehler enthält: nicht Emilie, sondern Amalie, nicht Pürschner, sondern Pirschner, Sterbetag nicht der 15., sondern der 5. April. Weiter wird bestätigt, daß es sich nicht um Zigeuner, sondern um wandernde Schausteller handelte, was die deutschen Namen, die Wohnorte Mölln und Friedrichslohra und die Berufsbezeichnungen besagen In ihrem äußeren Auftreten mit Wohnwagen, Karren und kleinen Pferden boten sie das gleiche Bild wie die fremdländischen Zigeuner.


Das Volk machte da keinen Unterschied: was so auf der Landstraße umherzog, gehörte zu den "Heiden", den "Häreleit", und damit meinte man allgemein die Zigeuner. Die im Jahre 1879 geborene Karoline Schinnerer konnte im Jahre 1962 dem Verfasser dieses Berichtes bestätigen: es waren keine "Heiden", sondern "Theaterleute". Sie hatte als zehnjährige Schülerin mit dem Schulchor an der Beerdigung teilgenommen und konnte im Alter von 83 Jahren auch bestätigen, daß die Tote nicht, wie Wanda icus-Rothe schreibt, im Wohnwagen, sondern im Sterbezimmer der Gastwirtschaft Rübel aufgebahrt war. Sie war gekleidet in den Glanz und Flitter ihres Schauspielerberufes. Das seltene Ereignis ließ aus dem Hochwaldbereich die Neugierigen herbeiströmen, und die schöne Tote war lange Zeit Mittelpunkt der Gespräche. Dazu kam dann noch als weitere Besonderheit, daß das Grab in seinem unteren Teil ausgemauert wurde. Die vier Seiten des Grabes wurden mit Ziegelsteinen bis zur Höhe eines Sarges ausgemauert. Darüber kam dann dicht über dem Sarg eine gewölbte Mauer aus Ziegelsteinen. Der Rest des Grabes über der gewölbten Decke wurde mit Erde ausgefüllt, um eine Bepflanzung möglich zu machen. Dieser hier nicht übliche Brauch ließ dann in späterer Zeit die Vermutung aufkommen, man habe der Toten Goldschätze ins Grab mitgegeben, wie es einst die Heiden taten. Wie oft haben wir als Kinder an diesem Grab gestanden und Pläne gemacht, man müßte das Grab doch nach diesen Schätzen untersuchen! Die Ausmauerung hatte aber wohl den Zweck, den Sarg für eine geplante spätere Umbettung vor dem Druck der Erdmassen zu schützen. Dazu ist es aber nicht gekommen. Die Maurerarbeiten wurden ausgeführt von Friedrich Hagner aus langweiler, der recht oft ausgefragt wurde, ob er etwas von Goldschätzen wisse. Der Grabstein wurde später gesetzt, das Jahr ist nicht bekannt. Er wurde geliefert von der Firma Otto Rindsfüsser aus Simmern; sie besteht nicht mehr, so daß über die Zeit nichts mehr zu ermitteln war. Die Irrtümer der Inschrift lassen sich wohl so erklären, daß bei der Bestellung des Steines Schreibfehler vorkamen. Die Familie Pirschner übertrug die Pflege der Gräber der Familie des Schleifers Ernst Molz. In den folgenden Jahren erschien die Truppe wenigstens einmal im Jahr, gab ihre Vorstellungen, besuchte das Grab und zahlte regelmäßig die Kosten für die Grabpflege. So wurden die Pirschners im Dorfe recht gut bekannt. Der Verfasser kann sich entsinnen, daß etwa um 1900 herum - er war damals 9 Jahre alt - während der Heuernte die Wagen der Schausteller von Bruchweiler her die "Treib" heraufkamen, ohne daß zunächst niemand von den in den Steinbachwiesen arbeitenden Bauern erkannte, wer sie waren. Aber in der halben Treib hielten sie an, vom vordersten Wagen stieg ein Mann in mittleren Jahren herab, kam in die Wiesen und begrüßte verschiedene Leute, darunter auch meinen Vater mit dem Gruß der fahrenden Leute: "Guten Tag, Meister!" Dann ging der Ruf durch die Wiesen: "Das ist ja der Pirschner!" Die Leute eilten herbei, wurden begrüßt wie alte Bekannte. Und wir Kinder, die wir nur vom Erzählen vom Tode der Frau wußten, standen dabei und betrachteten mit einer gewissen Scheu den mann, der seine Frau hier verloren hatte. Die heute noch lebende Ww. Ida Bermann, Tochter des Schleifers Ernst Molz, geboren 1886, kann sich aus ihren späteren Jugendjahren noch sicher erinnern, daß die Pirschners alljährlich kamen und ihren Eltern die Kosten für die Gräberpflege zahlten. Wir Kinder waren auf die fällige Abendvorstellung gespannt, waren froh, wenn der Vater einen Groschen herausrückte, gruselten über den bösen Grafen Golo und freuten uns, wenn die Genoveva mit ihrem Sohn Schmerzenreich doch gerettet wurde. "Genoveva" und "die letzte Reckenburgerin" waren wohl die einzige Stücke, die über die Bühne gingen, die wir jedes Jahr erlebten - und auch die einzigen Schaustellungen, die uns in dem einsamen Hochwalddorf alljährlich geboten wurden.


Nach 1900 hörten die Besuche der Truppe auf, niemand kannte den Grund. Das Grab blieb die einzige Erinnerung an das Ereignis von 1889. Niemand kam mehr - vom Winde verweht, Schicksal des fahrenden Volkes! Nur der ehemalige Gastwirt Karl Schneider, 1845 geboren, 1936 im Alter von fast 91 Jahren gestorben, konnte erzählen, daß er nach 1900 den Pferdemarkt in St. Wendel besuchte und dort den Marionettenspieler und Handelsmann Pirschner als Pferdehändler traf. Das ist die letzte Erinnerung und Spur von den Pirschners. Zur Abrundung und Ergänzung des Berichtes hat der Verfasser versucht, von der Stadtgemeinde Mölln zu erfahren, ob der Sterbefall damals der Heimatgemeinde gemeldet wurde, ob noch Pirschners oder Freiwalds dort lebten oder sonst etwas über ihr Schicksal bekannt sei. Die Anfrage wurde an das Kreisarchiv "Herzogtum Lauenburg" in Ratzeburg weitergeleitet, weil Mölln zu diesem Kreis gehört. Das Ergebnis: einen Ort Liebse gibt es nicht, es handelt sich um den Ort Lübsee, der früher zum Fürstentum Lauenburg gehörte und jetzt zur sowjetischen Besatzungszone (Mecklenburg) gehört. Die mecklenburgischen Kirchenbücher liegen im Original im Domarchiv zu Ratzeburg. Sie wurden durchgesehen. Im Taufregister von Lübsee ist keine Eintragung über Alwine Freiwald enthalten. Durchgesehen wurden die Jahrgänge 1852-1865 bei einem anzunehmenden Geburtsjahr 1889 - 32 = 1857.


Auch in den Registern der Stadt Mölln sind keine Eintragungen über die Wohnung der Pirschners oder der Witwe Freiwald enthalten. Alle Spuren sind ausgelöscht. Mölln, die "Eulenspiegelstadt", so genannt weil der bekannte Schalksnarr 1350 dort starb und begraben wurde, und Friedrichslohra, heute Großlohra bei Nordhausen im Eichsfeld, waren Standplätze und vor allem Winterquartiere des fahrenden Volkes, der Schausteller, Budenbesitzer, der Komödianten. Ob man sich da immer an- und abmeldete, ist fraglich. Und so kann man es erklären, daß in Mölln nichts über die Familie Pirschner-Freiwald eingetragen ist. Für unsere Gegend hat die Heimatforschung nachgewiesen, daß zwei Siedlungen des Hunsrücks zu Friedrichslohra verwandtschaftliche Beziehungen hatten: die "Leyenkaul" bei Mengerschied und die Scheidbach bei Dickenschied, letztere meist die "Schißbach" genannt. Sie ist verschwunden, die Leyenkaul besteht noch, in Mengerschied wohnen noch Bamberger, auf der Leyenkaul siedelt noch eine Schaustellerfamilie. Und in Friedrichslohra nennt man heute noch alles umherziehende Volk "Tatern" = "Tataren". Der Name, "Lohrer Tatern" ist in Mitteldeutschland zum Schimpfwort für Faulenzer, Diebe und anderes vagabundierendes Gesindel geworden. In Dickenschied lebt heute noch eine Scheidbacher Familie Heinen, die früher als Schausteller umherzog und auch  heute noch mit ihrem Kasperletheater wandernd ihre Vorstellungen gibt. Es liegt nache, in dieser Verwandtschaft die Grunde  zu sehen, die die Pirschners aus dem Ratzeburger Land in unsere Heimat führten. - Das Grab des Kindes war auf dem Friedhof unbekannt, keine Stein, kein Kreuz deutete es an. Als im Jahre 1969 die Friedhofshalle gebaut wurde und man für einen Stützpfeiler des Vorbaues ein Loch in die Erde treiben mußte, stießen die Maurer auf ein Gewölbe aus Ziegelsteinen. Es lag im Gräberfeld für die Kinder. In einer Tiefe von 90 cm waren die Seitenwände mit einer niedrigen Mauer eingefaßt, darüber aus Ziegelsteinen ein niedriges Gewölbe. Es war kein Grabinhalt mehr zu finden. Aber es kann kein Zweifel sein, daß man das Kindergrab von 1889 gefunden hatte. so war auch diese Frage durch einen günstigen Zufall gelöst. Die Zahlen und Namen geben nicht nur äußere Kunde, sondern sie umschließen auch für einen Zeitraum von sechs Wochen ein doppeltes Menschenschicksal: die Mutter schenkt das Leben und läßt es zehn Stunden später unversorgt und ohne die mütterliche Wärme hilflos zurück. Die Gruppe aber muß weiterziehen, ihre Späße machen, Schwänke aufführen und Puppen an Fäden tanzen lassen. Das Kind, den Beschwerden des Wanderlebens nicht gewachsen, weiß nichts von seinem Leben und Schicksal. Nach wenigen Tagen verlöscht sein kleines Leben wie ein Lichtlein, vergeht wie ein am Wege kaum erblühtes Blümlein, das zertreten wird.


Wie sehr gleicht das Leben von Mutter und Kind dem von der Wandergruppe ausgeübten Beruf: Marionettenspieler! Schon bei Chinesen, Griechen und Römern ließen die Gaukler zur Volksbelustigung ihre Puppen an Fäden tanzen. Dann finden wir die Spiele in Italien, Frankreich und besonders beliebt in Deutschland bis ins ausgehende 19. Jahrhundert. Im Falle der "Zigeunerin" von Sensweiler hat nun das Leben selbst die Fäden des Schicksals gezogen, ein ernstes Marionettenspiel aufgeführt, das bestimmt wurde von den Gesetzen des Wanderlebens. Und als die Truppe weiterzog, blieben zwei einsame Gräber zurück!


Damit möge das Lebensbild der Zigeunerin abgeschlossen sein. Im Sinne von Hansjakob war es ein armseliges Leben. Der Tod der Frau mag man ein "Marionettenspiel" auf der Bühne des Lebens nennen. Es war aber mehr als ein Einzelschicksal. Der Grabstein möge uns mahnen und uns fragen lassen: gestalten wir unser Leben selbst oder gleichen wir den Puppen, die das Schicksal oder ein unbekanntes Los an seinen Fäden tanzen läßt? Wie oft kommt es in unserm Leben anders, als wir es meinen, planen oder wollen!


Und weiter: die Namen Mölln und Friedrichslohra bilden Kulisse und Hintergrund der Bühne, geben uns Einblick in Leben und Schicksal des fahrenden Volkes und vermitteln damit auch einen Beitrag zur vielgestaltigen Volkskunde unseres deutsches Vaterlandes.


Der Croppenhof bei Sensweiler


In der Gemeinde Sensweiler ist mündlich überliefert, daß das Dorf früher drei Höfe hatte: Simonshof, Hubertushof und Jakobshof. Über die beiden letzteren sind bisher keine Urkunden oder andere schriftlichen Aufzeichnungen vorgekommen. Der Simonshof ist seit 1273 mit seinem Namen nachgewiesen, auch 1777 wird er in einer Rechnung des Amtes Wildenburg noch so genannt, hierbei wird auch ein Kulmannshof zu Sensweiler erwähnt, über den aber sonst nichts bekannt ist. Ein weiterer Hof, der geschichtlich belegt ist und an dem wegen seiner eigenartigen Rechtsverhältnisse viel Geschichtet haftet, ist im Dorf völlig vergessen. Übrig geblieben ist von ihm ein verstümmelter und nicht verstandener Flurname, der auf den neuen Flurkarten nicht mehr vorkommt, zwar hier und da noch gebraucht wird, dann aber in gänzlich veränderter Form: der Croppenhof. Auf dem Plannblatt 3 der Gemeinde, kartiert 1933, heißt eine Wiesenflur zwischen Steinbachtal und "Hauel" heute "in den Langwiesen". Der Volksmund gebraucht noch mitunter dafür: "im Krippchen". Das hat mit einer Krippe nichts zu tun. In der Bezeichnung steckt der Name des Croppenhofes, sie bedeutet richtig: im Croppischen und soll besagen, daß hier entweder der Croppenhof lag oder daß das Gelände zum Croppenhof gehörte. Daß hier einmal Hofland war, beweisen auch die zwischen Langwiesen und dem Friedhofsweg liegenden Gewannen: "an der Hofgewann" und dahinter: "die Hofgewann". Einen weiteren Beweis, daß das Krippchen ehemals Herrenland war, kann man darin sehen, daß ein Teil der Wiesenflur heute noch Kirchenland ist, das irgendwie bei der Auflösung der Herrenhöfe der Kirche übereignet wurde. Daß der Croppenhof in Sensweiler bestand, ist durch das Wildengurger Weistum aus der Zeit von 1520-1550 bewiesen. Grimm hat es in der Sammlung seiner Weistümer unter der Nummer II/128 aufgenommen, wo der Hof unter diesem Namen genannt wird.


Eigenartig ist seine staatliche Zugehörigkeit. Sensweiler gehörte zum Amt Wildenburg der Wildgrafschaft. Der Croppenhof war aber sponheimischer Besitz. Weitere sponheimische Höfe sind nachgewiesen in Bruchweiler-Schauren, ebenso in Asbach, Kirchweiler und Sulzbach.


Recht groß war auch der Besitz der Sponheimer in Hottenbach und Hellertshausen. Eine Aufstellung vom Jahre 1600 zeigt folgenden sponheimischen Besitz im Amt Wildenburg: Hottenbach 25 Untertanen (Hausstätten) Hellertshausen 7, Schauren 7, Bruchweiler 12, Sensweiler 8, Sulzbach 1, Asbach 12. Sie unterstanden dem Sponheimer Oberamt Kirchberg, waren dorthin grundhörig zinspflichtig; im Gerichtswesen gehörten sie zur Hochgerichtsbarkeit des Wildenburger Amtes, ein recht eigenartiger Zustand. Beim Zerfall der Grafschaft Sponheim kamen die oben genannten Untertanen durch den Staatsvertrag vom Jahre 1707 an die Marktgrafschaft Baden. Sie blieben bei ihr bis zum Ende der Feudalherrschaft. Die Sponheimer Akten (St. Archiv Koblenz Nr. 2896) vom 23.04.1776 verzeichnen an badischen Untertanen: Hottenbach 64 Bauern, Hellertshausen 24, Schauren 2, Bruchweiler 12, Sensweiler 4. An diese Zugehörigkeit erinnert für Sensweiler das Waldstück "Baasbruch", verstümmelt aus "badisch Bruche". Diese letzten vier Bauernstätten ins Sensweiler gehörten also zum sponheimisch-badischen Croppenhof als Gutsuntetanen. Da seit der Auflösung durch die französische Herrschaft (1798) etwas 160 Jahre vergangen sind ist verständlich, daß die Erinnerung an diese zeit verblaßt ist, obwohl es den "badischen Untertanen" im Zeitalter der Leibeigenschaft viel besser erging als den "wildgräflichen"; das Amt Wildenburg war, was Ausbeutung, Lasten und Härte in der Rechtspflege angeht, verrufen. Baden hob freiwillig die Leibeigenschaft auf, die Wildenburger dachten nicht daran; dort war gegen ende des 18. Jahrhunderts die Folter noch in Gebrauch. Die Birkenfelder, ebenfalls badisch geworden, nannten die badische Herrschaft eine Zeit des Segens für das Land.


Für Sensweiler erinnert sich der Verfasser, daß noch um 1900 überliefert war, daß ein kleiner Teil des Dorfes einmal zu Baden gehört habe, dabei wurde mit Bestimmtheit ein Haus genannt, damals Leonhards, heute Bauernhof Weyand. Das ist festzuhalten, um auch die Lage des Croppenhofes etwas zu bestimmen. Das "Krippchen", die Flure "an der Hofgewann" und "die Hofgewann" liegen am Rand dieses Ortsbereiches, wobei man annehmen darf, daß auch die anderen drei Hofstätten von 1776 dort lagen; wo der Haupthof war, wohnten auch die Untertanen. Das ist in kurzen Zügen die Geschichte des Croppenhofes der entgegen den zwei anderen oben genannten Höfen nicht sagenhaft, sondern geschichtlich einwandfrei belegt. ist. 


Aber noch interessanter als seine Geschichte ist sein Rechtszustand. Er war ein Asylhof, das heißt ein Freihof, eine Zufluchtsstätte für gerichtlich Verfolgte. Zum Verständnis sei etwas über die Asylhöfe gesagt. Schon die ältesten Zeiten kennen den Begriff der "Blutrache". Bei Totschlag war die Sippe des Getöteten berechtigt, die Untat zu rächen, Schadenersatz zu fordern. Daß dabei Übergriffe und Maßlosigkeit im Rechtsanspruch vorkamen, ist zu verstehen. Und darum finden wir bereits in den Gesetzen des Moses den vorläufigen Schutz des Verfolgten in einer Zufluchtsstätte, dem Asyl. Auch bei den Griechen kannte man diese Einrichtung. Asyl war jeder den Göttern geweihte Ort. Im alten Rom gab es auch das Asyl für Verfolgte, und jede Verletzung des Asylrechtes durch die Verfolger galt als Frevel gegen die Götter. Unter Konstantin d. Gr. ging mit der Einführung des Christentums das Asylrecht auf die Kirchen über, auf Klöster, Hospitälern, später auf Wohnungen der Bischöfe und Geistlichen. Der Flüchtling mußte im Asyl die Waffen ablegen und sich friedlich verhalten, bis seine Sache untersucht und entschieden war. Das Asylrecht ging später auf die staatliche Justiz über. Wir finden es dann im germanischen Volksrecht. Dem Totschlag wurde gleichgerechnet Verletzung des Weibes und Mädchenraub, oft auch versuchter Totschlag oder schwerste Körperverletzung. Als Buße galt auch hier die Blutrache durch die Sippe, später wurde auch an Stelle der tatsächlichen körperlichen Rache das Wergeld eingeführt, eine Zahlung in Vieh oder Geld an die Gemeinde. Um Willkür, Eigenmächtigkeit und Übertreibung der Blutrache, die sich oft endlos durch Geschlechter fortsetzte, zu vemeiden, gab es die Asylhöfe. Ihr Rechtszustand und ihre Gesetze sind uns in zahlreichen Weistümern - das sind aufgezeichnete Rechtsordnungen oder Gesetze - erhalten geblieben. Der Croppenhof war ein solcher Frei- oder Asylhof. In Bruchweiler-Schauren gab es deren vier, auch in Asbach, Kirschweiler und Sulzbach waren Freihöfe. Der Asylhof zu Mörschied führte als Zeichen des Schutzes für den Verfolgten über der Pforte den Adler, als Zeichen der Versorgung eine Brezel (Brot).

 

Das obengenannte Wildenburger Weistum (Grimm II/128) berichtet zum Sensweiler Freihof: "Fragt der Richter, ob etliche Güter frei sein? Antwortet der Schöffe und weist nit mehre, dann ein hoffgut, Croppenhoff, und ob ein mißtätiger darin lief, soll er der Freiheit genießen, will der Hofmann ihn richten, soll er einen Galgen über die Pforte machen und soll ihn lassen richten mit dem Bauch zur Pforte und mit dem Rücken nach außen. Wo einem Hofmann das zu schwer dünkt, soll er ihn mit dem rechten Gehren nehmen und vor die Pforten liefern auf der Herren Gericht in der Herren Hand."


Zu diesen etwas sonderbaren Ausführungen sei erklärt: Die Gerichtsbarkeit über alle Rechtsfälle, auch über Leib und Leben, lag im Amt Wildenburg in den Händen des Landesherrn, der Wildgrafen, ausgeübt durch die Amtsmänner. Gerichtsstätte und Galgen waren am "Urteilsstock" in der Nähe der Wildenburg. Im Asylhof dagegen hatte der Hofherr die Gerichtsbarkeit. Das mußte vom Landesherrn als eine Einschränkung seiner Rechte empfunden werden, die Asylhöfe waren ihm im Wege, waren unbequem. Bei jeder Gerichtsverhandlung wurde darum ausdrücklich vom Richter (das konnte der Amtmann sein) die Zuständigkeit geprüft: der Schöffe bestätigt, daß in Sensweiler nur ein Hof Asylrecht habe und damit das immer deutlich blieb, sagt das Weistum an anderer Stelle: Zu Sensweiler haben unsere gnädigen Herren Gebot und Verbot, hoch und nieder zu richten und sonst kein anderer. Das sind die Wildgrafen, damit nicht etwa weitere Höfe sich das Asylrecht anmaßten. Das hatte seinen Sinn: dem Richter, d. h. dem Inhaber der Gerichtsbarkeit, gehörte neben den Geldbußen auch das ihm verfallende Vermögen des Gerichteten! Der Asylhof mußte geduldet werden. Der Missetäter war im Asylhof vor den Verfolgern zunächst geschützt. Ihm war Gelegenheit gegeben, sich zu verantworten, seine Sache wurde untersucht. Über die Dauer des Aufenthaltes im Freihof sagen andere Weistümer, wie die von Bruchweiler und Schauren (II/138), ebenso Markgraf, "Das moselländische Volk in seinen Weistümern": Das Asylrecht dauerte in der Regel 45 Tage. Dann mußte entweder ein Urteil gefällt sein oder der Verfolgte mußte versuchen, aus dem Freihof zu entkommen. Die Verfolger haben selbstverständlich draußen aufgepaßt, daß er ihnen in diesem Falle nicht entging. Nach andern Weistümern konnte der Aufenthalt auch dadurch verlängert werden, daß es dem Flüchtling gelang, seine beiden Füße drei Schritte auf dem Boden außerhalb des Hofes zu setzen, wodurch sich die Gnadenfrist um weitere 45 Tage verlängerte. Dazu mag es selten gekommen sein.


Dem Hoffmann war es vielmehr darum zu tun, den Fall möglichst bald zu erledigen. Wollte er selbst richten, dann hatte er nach dem Weistum den Übeltäter in der angegebene Weise am Hoftor aufzuhängen. Das mag unangenehm gewesen sein. Das römische Recht erleichterte dem Hofmann sein Amt, indem es verordnete, daß der Verbrecher auch, wie im Sensweiler Weistum angegeben, an der Herren Gericht ausgeliefert werden konnte. Das waren für Sensweiler die Wildenburger Amtleute. Recht anschaulich ist auch die Form, wie diese Auslieferung vor sich gehen sollte: der Missetäter wird am rechten "Gehren" gefaßt und vor die Pforte gebracht. Das ist der rechte Rockschoß. Im Volksmund hat sich hierfür der Ausdruck erhalten: einen unangenehmen oder lästig werdenden Kerl "holt man am Bennel" und schleift ihn vor die Tür.


Zusammenfassend kann über das Asylrecht gesagt werden: Es hat sich aus der Blutrache entwickelt und ist gegen diese gerichtet. Zugunsten leichterer Vergehen soll verhindert werden, daß der Verfolgte voreilig an den Verfolger ausgeliefert wird. Der Galgen über der Tür soll dem Hofmann das Selbstrichten verleiden. Durch die Möglichkeit der Auslieferung konnte man die peinliche Gerichtsbarkeit (die Hinrichtung) von einem Hof dem andern zuschieben. Darum sah man es auch gern, wenn der Verfolgte aus dem Asylhof entfloh. Die Auslieferung hatte weiter den Sinn, daß der gemeine Verbrecher im Asylhof keinen unverdienten langen Aufschub haben sollte. Das Weistum gibt für Sensweiler nur noch ein ungelöstes Rätsel auf: das Dorf hat einen Galgenhügel. Es wäre also daran zu denken, dort die Hinrichtungsstätte zu suchen. Er liegt aber vom Croppenhof ziemlich entfernt am entgegengesetzten Ende des Ortes. Dort hatte der Asylherr keinerlei Recht zu richten. Die Weistümer nennen ausdrücklich den Galgen über der Pforte. Der Zweck dieser Forderung ist bereits dargestellt. Woher dann eine zweite Gagenstätte am Dorf? Für das ganze Amt Wildenburg war sie bei Kempfeld. Es gibt eine andere mögliche Erklärung. Sensweiler hat nicht immer zum wildgräflichen Amt gehört. Nach den Abschriften von Urkunden durch Shott hatte der Erzbischof von Trier um 975 Güter in Sensweiler erworben, die er an das Paulinstift zu Trier verschenkte. Weiter war das Kloster Fraulautern um 1250 an einem Hof zu Sensweiler beteiligt. 1343 verkaufte Wilhelm von Manderscheid dem Erzbischof Balduin von Trier sein Dorf Sensweiler mit Herrschaften, Gerichten hoch und nieder, Landen, Leuten und Schöffen. Hier scheinen die Gründe für eine weitere dorfeigene Gerichtsstätte zu liegen.


Nun ergibt sich aus der Geschichte des Croppenhofes noch eine weitere und letzte Frage: Warum waren die Freihöfe sponheimisch? Daß sie nicht den Wildgrafen als Landesherren gehören konnten, ist selbstverständlich; ihnen waren sie ein Hindernis in der Gerichtshoheit. Darum ist es auch verständlich, wenn sie auf ihre Beseitigung bedacht waren. Um sich dagegen zu schützen, gaben die Sponheimer 1331 ihre Höfe zu Bruchweiler, Sensweiler und an anderen Orten der Wildgrafschaft de m mächtigen Balduin von Trier als Lehnsherren in die Hände, ließen sich von ihm zurückbelehnen, behielten ihre Höfe, waren aber des Schutzes vor den Wildgrafen sicher. Dazu kommt eine weitere Erscheinung des Wirtschaftslebens im Zeitalter der Leibeigenschaft. Niemand konnte freizügig auswandern. Menschen waren als Arbeits- und Steuerkraft damals ein kostbarer und rarer Handelswert. Wer auszog zahlte dem bisherigen Herrn ein hohes Auszugsgeld, dem  neuen ein gleiches Einzugsgeld. Wer "schwarz" über die Grenzen ging, wurde staatenlos, war ein Wildfang. Das Recht, sie "einzufangen", sie also als neue Untertanen zu gewinnen, besaßen in unserer Heimat in einem genau festgelegten Bereich die Sponheimer. Dazu  brauchten sie überall in dem buntscheckigen Staatengewirr Höfe. Im Bereich der Wildgrafschaft pochten die Sponheimer auf ihrem Recht mit dem Grundsatz: "Wer aus dem Amt Trier kommt, wird Sponheimer Untertan". Das hat zu vielen Fehden geführt, auf die hier nicht einzugehen ist. Zum Schutz der Wildfänge brauchte man Unterkünfte - und die Asylhöfe mögen recht oft auch diesem Zweck gedient haben. Wir sehen, daß in dem heute fast nicht mehr gebrauchten "Krippchen" eine Fülle von dörflicher und allgemeiner Geschichte steckt. Darum ist es zu bedauern, daß der Name verstümmelt wurde. Wann das bei früheren Kartierungen geschehen ist, kann nicht mehr festgestellt werden. Aber die Frage ist doch berechtigt, warum denn bei der gewiß notwendigen Flurbereinigung nun auch das alles ausgerottet werden mußte, was einmal von geschichtlicher Bedeutung war. Vom Croppenhof zum Croppischen, dann zum Krippchen und endlich zu den Langwiesen geht ein Weg von Irrtümern. Man könnte das gutmachen, wenn man die einzig richtige Flurbezeichnung wähle: "Am Croppenhof".


Litteratur: Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 1881 - Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, VIII/960 - Grimm, Weistümer II/128 u. 132 - Markgraf, Das moselländische Volk in seinen Weistümern.


Albert Molz 

Albert Molz wurde am 19.05.1891 in Sensweiler geboren, er besuchte nach seiner Schulentlassung 1905 drei Jahre die Präparantenschule in Ottweiler/Saar um dann drei weitere Jahre das Lehrerseminar zu besuchen. Seine erste Stelle als Lehrer trat er in Gornhausen an, wechselte später nach Dusemund (heute Brauneberg) und wurde dann nach Trier versetzt. Von 1915 - 1918 war Rektor Molz Soldat und war Aufklärer bei den Fliegern. Zwischen den Weltkriegen studierte er an der Universität in Köln und bestand die Prüfung als Mittelschullehrer. Nach seiner Pensionierung kam er nach Sensweiler zurück, war aber noch an der Realschule in Morbach tätig. 

Der Landrat des Kreises Bernkastel Dr. Krämer schrieb 1961 im Heimatkalender; Dem Schriftleiter des Kreisheimatkalenders Herrn Rektor a.D. Albert Molz zur Vollendung seines 70. Lebensjahres:

Unser Schriftleiter, Herr Rektor a.D. Albert Molz vollendet am 19. Mai 1961 sein 70. Lebensjahr. Wir nehmen dies gern zum Anlaß. Ihm vor allen Freunden des Heimatkalenders für seine langjährige und erfolgreiche Tätigkeit als Heimatforscher und Schriftleiter herzlich zu danken. Herr Molz vereinigt in sich all die besonderen Eigenschaften, die den leider immer selten werdenden Typ des Heimatforschers ausmachen; Liebe zur Heimat, ihrer Natur und ihrer kulturellen Eigenart, gründliches Wissen um ihre Geschichte und nimmermüden wissenschaftlichen Forschergeist. Wenn unser Kalender auch in diesem Jahre wiederum vielseitig und interessant gestaltet ist, so darf das im Wesentlichen das Verdienst unseres Jubilars genannt werden. Möchte es ihm vergönnt sein, noch viele Jahre zur eigenen Freude und zum Nutzen und Wohle der Allgemeinheit im bisherigen Geiste tätig zu sein. 


Quellen 

Heimatkalender Kreis Bemkastel 1961 

Festschrift zum 50.ten Bestehen SV 1924 Sensweiler 1974

Share by: